Duftsignale zum Stelldichein

Große Aufregung verursacht Mitte Juli das Erscheinen der ersten Söhne in Bombinas Mädchenheim. Die stattlichen Burschen tragen saubere, elegante Pelze, gelblichweiß, mit einer schmalen, schwarzen Querbinde verziert, am hinteren Ende ein wenig rötlich verbrämt. Sie lassen sich gern von ihren Schwestern verwöhnen und Honig zureichen, zeigen selber aber keine Lust zu häuslicher Arbeit. Schon nach wenigen Tagen ziehen sie hinaus in die weite, blumenübersäte Welt, um nach Abenteuern zu suchen. In allen Erdhummelnestern tauchen die Männchen ungefähr zur selben Zeit auf. Alle zerstreuen sich bald über weite Gebiete, und jedes von ihnen wählt sich darin ein kleines Revier aus. Dort beginnt es dann, anscheinend sinnlos, von morgens bis abends dauernd im Kreis herumzukurven. Doch manches, was uns sinnlos und töricht scheint, hat oft seine guten Gründe.

In etwa zwei Meter Höhe fliegend, steuert so ein Hummelmann den nächstbesten Busch an, läßt sich dort an einer Astgabelung nieder, rennt erregt darauf herum, fliegt wieder auf und umschwirrt einigemale den Fleck. Dann zieht er weiter, zu anderen Sträuchern, um es dort ähnlich zu treiben.

Wer in fremden Gegenden wandert, folgt gern markierten Pfaden. Achtet er auf die farbigen Zeichen an Bäumen und Weggabelungen, wird er sein Ziel bestimmt erreichen. Solche Zeichen verteilen auch die Hummelmännchen an allen Plätzen, die ihnen für ihre Zwecke geeignet erscheinen. Aber wo wir Farben verwenden, bevorzugen die Insekten Düfte. Ihre Fühler wittern weiter, als ihre Augen sehen können. In Kreisbahnen von einigen hundert Meter Länge hinterlegen auch Bombinas Söhne an vielen Astverzweigungen ihre Duftsignale. Die einzelnen Hummelarten bevorzugen dabei ganz unterschiedliche Örtlichkeiten und auch verschiedene Höhenlagen. Manche wählen dafür die Gipfel hoher Bäume, andere nur Wurzelwerk oder Bodenmulden, Erdhummeln aber die Mittellagen. Da überdies die Männchen der vielen Hummelarten zu unterschiedlichen Zeiten fliegen, kommt es wohl nie dazu, daß sie miteinander konkurrieren.

Die Duftkennzeichen, die unsere Freunde da verteilen, haben nur den einen Nachteil, daß sie nicht andauernd anhalten und tagsüber immer wieder erneuert werden müssen. Diese Hummelmarkierungen sind allerdings keine richtigen Wegweiser, sie wollen im Gegenteil ein gewisses Wesen einladen, dort ein wenig zu verweilen und ein paar Minuten zu verharren, bis der Pilot wieder eintrifft. Was er sich da eingerichtet hat, ist eine Luftbrücke mit einer ganz bestimmten Absicht. Jedes Erdhummelweibchen, das an einer seiner Duftmarken vorbeifliegt, muß die männliche Geruchsspur deutlich wahrnehmen und würde sicher verspüren, wie töricht es wäre, weiterzufliegen.

So treiben es alle Erdhummelmännchen ringsum, ihre weithin verstreuten Bahnen berühren sich zwangsläufig an vielen Stellen, so daß manche Treffpunkte von mehreren Kollegen gleichzeitig beflogen werden. Das nehmen .sie kameradschaftlich hin, deswegen gibt es keinen Streit. Die unentwegten Piloten legen täglich, immer im Kreis herum, Strecken von dreißig bis fünfzig Kilometer zurück, um ihre Lockdüfte auszustreuen, eine für Insekten schon sehr beachtliche Leistung.

Die Duftmarkierungen gelten den vollreifen und fortpflanzungsfähigen Hummeltöchtern, die jetzt in den Hummelnestern den Kokons entschlüpfen. Einige Tage tändeln sie im Haushalt herum, doch dann erwacht auch bei ihnen ein unbewußtes Sehnen, ein Drang hinaus ins Grüne. Ziellos summen sie über die Wiesen, fühlen aber trotz der vielen Blütenkelche keinen rechten Appetit; sie wissen wohl selbst nicht, wonach ihnen eigentlich der Sinn steht. Auffallend ist nur ihre gleichbleibende Flughöhe: zwei Meter über dem Boden. Als eine zufällig an den Haselstauden vorbeisurrt, verspürt ihr Fühler erregende Düfte. Unwiderstehlich angezogen, folgt sie ihnen, findet jedoch nur ein leeres Astchen. Dennoch ahnt sie, was das bedeuten soll, hinterläßt auch ihrerseits dort eine Duftnachricht, fliegt auf die große Dolde einer Bärenklaublüte und harrt dort der Dinge, die da kommen sollen.

Es währt keine drei Minuten, bis der für jene Fluglinie zuständige Kavalier sich wieder der Haselstaude nähert. Nichts ist zu sehen, nur die duftende Botschaft des Weibchens hängt noch in der Luft. Das genügt, jetzt folgt er ihrer Spur, findet prompt die weiße Dolde und auf ihr die holde Partnerin und feiert mit ihr Hochzeit.

Die Weibchen kehren zurück ins mütterliche Nest, den Männchen gefällt es mehr, die warmen Nächte in Blumenkelchen zu verbringen oder an kühlen Tagen und Nächten irgendwelche Erdhummelheime aufzusuchen. Bei Sonnenschein ziehen sie täglich ihre Kreise, so lange, bis sich keine Partnerinnen mehr einfinden. Zu dieser Zeit ist ihre Lebensuhr abgelaufen. Die befruchteten Weibchen aber werden, wenn sie Glück haben, den Winter überleben und im kommenden Jahr dasselbe tun, was ihre Mütter taten: die junge Brut behausen, versorgen und pflegen, damit die Art der Erdhummeln erhalten bleibt für alle Zeiten.

 

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