Die Erbfeindin

Hilfstoechter einer Hummelfamilie (Steinhummeln) versorgen die Brut mit Nahrung. Das Nest besteht nicht, wie bei den Bienen aus einem wohlgeordneten, raumsparend ineinandergefuegten Zellenbau, sondern aus einem zwar zusammenhaengenden, doch willkuerlich zusammengebauten Zellengewirr.In dieser Zeit — Bombina prüft gerade am Ende der Kammer ein Wärmepolster — erhält sie Besuch. Eine Hummel, die nicht zur Familie gehört, kommt in die Höhle und tut sehr unbefangen. Noch sind wegen der geringen Töchterzahl Wachen am Eingang nicht eingesetzt, vermutlich hätte sich der Eindringling auch von ihnen nicht abhalten lassen. Die wildfremde Hummel spaziert in Bombinas Haus herum, als wäre sie herzlichst eingeladen und hochwillkommen. Die Hilfstöchter starren erschreckt auf die seltsame Besucherin. Die aber kümmert sich nicht um die schwächlichen Hummelkinder, stolziert langsam und ohne Scheu zu einer der Brutzellen und betrachtet sie sehr eingehend und unternehmungslustig. Jetzt erst wird auch Bombina aufmerksam; kaum gewahrt sie die Fremde, stürzt sie auf sie zu. Denn diese Unbekannte, das fühlt sie sofort, kann nur ihre schlimmste Erbfeindin sein, eine schmarotzende Kuckuckshummel.

Der Name sagt es: Kuckuckshummeln sind Hummeln, die sich und ihre Nachkommen auf Kosten anderer, arbeitsamer Hummeln ernähren lassen, eine im Reich der Kerfe recht verbreitete Lebensweise, deren Ursache nicht auf Arbeitsscheu, sondern auf angeborenem Zwang beruht. So ziemlich alle bei uns hausenden Hummelarten werden ständig von den etwa zehn Arten der Kuckuckshummeln bedroht. Sie sehen den eigentlichen Hummeln so täuschend ähnlich, daß man schon genau hinschauen muß, um sie zu erkennen. Bei den Weibchen geht das noch eher; denn die abgeplatteten, kahlen Sammelkörbchen der echten Hummeln fehlen ihnen, auch steht ihr Stachel nicht wie bei den echten nach oben, sondern etwas abwärts, den Hinterleib tragen sie stark eingekrümmt, und ihr Chitinpanzer ist weit stärker. Oft fallen sie auch durch die rauchgraue Tönung ihrer Flügel auf. Dicke Hummeln, die etwa im Frühsommer träge an Distelblüten herumnaschen und deren Hinterleib nicht spitz, sondern abgerundet endet (was aber ein Kennzeichen aller männlichen Hummeln ist!), sind meist Männchen der Schmarotzerhummel, da die Männchen der echten Hummeln so früh nicht erscheinen. Die einzelnen Arten der Schmarotzerweibchen haben sich jeweils auf den Besuch ganz bestimmter Hummelarten spezialisiert, sie tragen häufig sogar Farben, die denen ihrer Wirtinnen, ihrer unfreiwilligen Verpflegerinnen, oft täuschend ähneln.

Mit drohend geöffneten Kiefern und mit gesträubten Haaren geht Bombina auf die Kuckuckshummel los. Meist sind die Schmarotzer größer als ihre Wirte, diesmal handelt es sich um ein kleineres Exemplar. Trotzdem ist Bombina im Nachteil, denn ihr Stachel kann den harten Panzer der Gegnerin niemals durchdringen. Die Fremde wehrt den Anprall ab, geht aber nicht selbst zum Angriff über. Denn vorteilhafter, als ihre Wirtin zu ermorden, muß für sie, wenigstens zunächst, eine Art Koexistenz sein. So weicht sie mehr und mehr zurück, verkriecht sich unter den Bodenteppich, wird dort wieder herausgetrieben und nun auch von den Hilfshummeln bedrängt. Bedeckt mit vielen Schrammen und mit einem halbzerfetzten Hinterflügel, entflieht sie der ungastlichen Stätte.

Wäre es der Fremden gelungen, ihre Absichten durchzusetzen, so hätte das für Bombinas Familie den langsamen, aber unausweichlichen Untergang bedeutet. Stirbt nämlich die Nestmutter bei solchen Kämpfen, so wenden sich ihre Hilfstöchter der siegreichen Kuckuckshummel zu und unterstützen sie in ihrem Brutgeschäft. Was sollen sie sonst auch tun, ihre Bestimmung ist ja, zu helfen und zu pflegen! Abgesehen von den bereits in den Zellen ruhenden Eiern und Larven gäbe es dann forthin keine Erdhummeln mehr in solchen Nestern, und als schlimmste Folge würden darin keine Männchen und geschlechtsreifen Weibchen der Nestgründer entstehen können, sondern nur solche der Schmarotzerhummel. Sie erzeugt keine Hilfshummeln, nur fortpflanzungsfähige Töchter und Söhne. Zudem ist sie unfähig, selbst Brutzellen zu bauen, sie kann deshalb ihre Brut nur in fremden Nestern unterbringen. Diesmal aber ist es mißlungen.

In andern Fällen aber, wenn etwa die angestammte Mutter beim Eindringen der Kuckuckshummel gerade ausgeflogen ist, nimmt die Geschichte einen ganz anderen Verlauf. Die Hilfstöchter, solange sie schwach und wenige sind, können die Fremde nicht abwehren, auch wenn sie es versuchen würden. Kehrt die Mutter zurück, verkriecht sich die Schmarotzerin und kommt immer nur für kurze Zeit zum Vorschein. Merkwürdigerweise wird sie später nicht mehr angegriffen, sondern, als nunmehr zum Nest gehörig, geduldet. Auch bei einem solchen Zusammenhausen erleidet die ursprüngliche Familie schwere Verluste, Kuckuckshummeln legen ihre Eier zu denen der Hausherrin. Da sie sich schneller und kräftiger entwickeln, sind die Schmarotzerlarven den anderen überlegen, fressen ihnen das Futter weg und kommen auf alle Fälle durch, während die Hummellarven meist verkümmern. Wir mögen die nicht gerade lobenswerten Gewohnheiten der Kuckuckshummeln verurteilen, sollten jedoch nicht übersehen, daß sie nicht anders handeln können. Sie haben keine Wahl, sie sind angetreten nach den ihnen gegebenen Gesetzen.

Erstaunlich, mit welcher Sicherheit die zunächst heimatlosen Kuckuckshummelmütter die ihnen jeweils entsprechenden Hummelnester aufzufinden wissen. Wer selbst so ein Nest suchen will, wird immer gut daran tun, wenn er einer dieser langsam fliegenden, überall herumspürenden Kuckuckshummeln folgt. Sie findet das Gesuchte weitaus schneller als der erfahrenste Hummelspezialist. Die seltsamen Weibchen sind übrigens nicht nur Schmarotzer. Sie beteiligen sich regelmäßig an den allgemeinen Nestarbeiten, sie bemühen sich auch, obwohl sie nur schlecht dafür ausgerüstet sind, Blütenstaub einzutragen. Wie die sogenannten Bauchsammlerinnen unter den Bienen streifen sie mit den Haaren der Körperunterseite Pollen von den Staubfäden und bringen das Wenige, das dabei haftenbleibt, getreulich ins Nest. Die echten Kuckucke verfahren weitaus brutaler als die Hummeln, die ihren Namen tragen.

 

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